EAMT 2018 – Übersetzer in den Mittelpunkt!

Anne Beyer · 09. Juli 2018

Wie angekündigt, gehe ich jetzt etwas mehr auf den Inhalt der diesjährigen EAMT-Konferenz ein. Neben den Beiträgen zu verschiedenen technischen und anwendungsorientierten Aspekten wurden diesmal vermehrt auch die Nutzer von Maschineller Übersetzung in den Mittelpunkt gerückt:

In ihrem Keynote-Vortrag betonte Sharon O’Brien von der Dublin City University, dass die Rolle der Übersetzer bzw. Post-Editoren mehr Aufmerksamkeit bekommen sollte und regte an, den Fokus in der Anwendung von “Computer-Aided Translation” hin zu “Human-Centered Translation Technology” zu verlegen.
In ihrer Forschung untersucht sie mit Hilfe von Eyetracking die Interaktionen von Übersetzern mit CAT-Tools und betont, dass dieses Umdenken schon im Design der Hilfsmittel beginnen sollte und dass es hier noch viel zu tun gibt.

Im Translator’s Track gab es dann eine ganze Reihe interessanter Präsentationen. Hier eine Auswahl:

Laura Bruno und ihre Kollegen haben sich die Einstellung zum Thema Post-Editing während der Ausbildung von Übersetzern angeschaut. Hierbei haben sie festgestellt, dass (zumindest im spanischen Kontext) MT in der Ausbildung sehr negativ konnotiert ist und sich viele Berufseinsteiger gar nicht erst mit diesem Thema auseinandersetzen. Damit geht leider auch die Chance verloren, sich aktiv in die Entwicklung einzubringen und die Zukunft mitzubestimmen.

Félix do Carmo vom ADAPT Centre in Dublin stellte die Frage, ob das, was maschinelle Übersetzung produziert, eigentlich wirklich einer Übersetzungen entspricht und kam zu dem Schluss, dass man maschinelle Übersetzungen eher als Übersetzungshypothesen verstehen sollte, die den Übersetzer unterstützen können, aber schon auf Grund der Herangehensweise nicht dazu gemacht sind, “richtige” Übersetzungen zu erstellen und damit Übersetzer zu ersetzen.

Ariana López Pereira hat in ihrer Studie SMT und NMT konkret in Bezug auf Post-Editing verglichen. Sie hat dafür unter anderem die subjektive Einschätzung und die tatsächlichen Post-Editing-Zeiten gegenübergestellt und herausgefunden, dass neuronale MT zwar subjektiv die besseren Ergebnisse liefert, im Durchschnitt aber mehr Post-Editing-Zeit beansprucht. Eine Vermutung ist hier, dass die sprachliche Qualität der Vorübersetzungen zwar besser ist, die Fehler dadurch aber weniger offensichtlich und schwerer zu finden sind.

Paloma Valenciano, eine Übersetzerin, deren “technische” Hilfsmittel anfänglich noch aus Schreibmaschine und Regalen voller Wörterbüchern bestand, ist mittlerweile nicht nur auf einen komplett papierlosen Arbeitsplatz umgestiegen, sondern hat sich auch auf das Experiment MT eingelassen und arbeitet seit einiger Zeit mit neuronaler maschineller Übersetzung. In ihrem Erfahrungsbericht fasste sie für sich die Vor- und Nachteile zusammen und kam zu dem Schluss, dass Post-Editing von NMT zwar mehr Konzentration erfordert (was sich mit den Erkenntnissen von oben deckt), im Endeffekt aber doch deutlich die Produktivität steigern kann.

Mikel Focada, Präsident der EAMT, nutzte die Gelegenheit, um die nonprofit Plattform Translation Commons vorzustellen, eine Initiative von und für Übersetzer, bei der es in erster Linie um den Austausch von Erfahrungen mit (Open-Source) Tools und Technologien gehen soll. Momentan befindet sich das Projekt noch im Aufbau, hat aber schon über 1000 Mitglieder und der Erfahrungsschatz wird kontinuierlich erweitert.

Ein Hauptthema des Translator’s Track war außerdem die Auswertung der Übersetzer-Studie zu ihrer Erfahrung mit MT bisher, über die wir bei beo auch unsere Übersetzer vor der Konferenz informiert hatten. Insgesamt haben 112 Übersetzer an der Studie teilgenommen, wodurch die Ergebnisse zwar erst einen recht kleinen Teil dieser Gruppe repräsentieren, aber dennoch erste Einblicke und vielleicht auch Anstöße für die MT-Entwicklung geben können. Außerdem ist geplant, diese Studie im nächsten Jahr im Rahmen des MT Summits zu wiederholen, um dann hoffentlich einen noch größeren Teil der Zielgruppe zu erreichen. Insgesamt muss das Ziel sein, Übersetzer und ihre Erfahrungen bereits im Entwicklungsprozess stärker einzubeziehen, um die Lücke zwischen Forschung und Anwendung weiter zu verringern. Die Ergebnisse dieser Studie gibt es hier.

beo bleibt weiter am Thema MT und den technischen Neuerungen dran, arbeitet aber gleichzeitig auch vermehrt daran, die Übersetzer mit ins Boot zu holen, um gemeinsam rauszufinden, wie wir uns diese neuen Erkenntnisse zu Nutze machen können, damit am Ende alle davon profitieren.

Anne Beyer

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