Was ist eigentlich Terminologie?
In der Ăbersetzungsbranche ist hĂ€ufig von âder Terminologieâ die Rede. Wer sich nicht eingehender mit Terminologie-Lehre und -Arbeit beschĂ€ftigt hat, stellt sich unter âder Terminologieâ vermutlich eine lange Liste mit ausgangs- und zielsprachigen Wörtern und vielleicht noch ein paar weiteren Informationen vor: eine Art Wörterbuch, das dann bei einer Ăbersetzung verwendet werden kann.
Aber stimmt das eigentlich? Nicht ganz âŠ
In der einschlĂ€gigen DIN-Norm (DIN 2342:2011-08) âBegriffe der Terminologie-Lehreâ lautet die Definition fĂŒr âTerminologieâ wie folgt:
âGesamtbestand der Begriffe und ihrer Bezeichnungen in einem Fachgebiet.â
Mit den Definitionen ist das allerdings immer so eine Sache. Wir mĂŒssen alle Bestandteile der Definition verstehen, um zu wissen, was wirklich gemeint ist. Was ein âFachgebietâ ist, können wir uns gut vorstellen.
Was aber sind âBegriffeâ und âBezeichnungenâ?
Die Antwort auf diese Frage fĂŒhrt uns bereits tief in die âTerminologie der Terminologieâ und damit auch zu den theoretischen Grundlagen der Terminologie-Lehre.
Beginnen wir mit dem âBegriffâ als zentralem Element der Terminologie-Lehre.
In der DIN-Norm (DIN 2342:2011-08) wird âBegriffâ wie folgt definiert:
âDenkeinheit, die aus einer Menge von GegenstĂ€nden unter Ermittlung der diesen GegenstĂ€nden gemeinsamen Eigenschaften mittels Abstraktion gebildet wird.â
Puh ⊠Was soll das denn jetzt wieder heiĂen?
Versuchen wir, der Sache auf den Grund zu gehen. Wir haben also eine Menge von GegenstĂ€nden und sollen feststellen, welche gemeinsamen Eigenschaften diese GegenstĂ€nde haben, um zu unserem Begriff als âDenkeinheitâ zu gelangen.
Als âMenge von GegenstĂ€ndenâ nehmen wir mal alle Tische, die sich in meinem Haushalt befinden. Ich habe einen Esstisch, einen Wohnzimmertisch, einen Schreibtisch und einen Gartentisch.
Was haben alle diese GegenstÀnde gemeinsam?
Alle meine Tische haben eine ebene Platte, auf der ich Dinge ablegen oder abstellen kann. Alle meine Tische haben eine Konstruktion, die diese Platte erhöht und trÀgt.
Schon haben wir also die Denkeinheit âTischâ gefunden. Wenn wir âTischâ sagen, mĂŒssen wir uns nicht jedes Mal alle Tische der Welt vorstellen, sondern bedienen uns jener Denkeinheit. Das ist also unser Begriff von einem âTischâ. Da es sich bei einem âBegriffâ um eine âDenkeinheitâ handelt, kann ein Begriff kein Wort sein.
Praktisch ist auch, dass wir einfach âTischâ sagen können und (zumindest von Sprechern unserer Sprache, die wissen, was ein âTischâ ist) verstanden werden. Wir mĂŒssen nicht jedes Mal sagen: âWeiĂt Du, dieses Ding mit der Platte, auf der man Sachen ablegen kann und das ĂŒber eine tragende Konstruktion verfĂŒgt.â
(Das wĂ€re ĂŒbrigens die Taktik, die wir anwenden wĂŒrden, wenn wir in einer fremden Sprache einen Begriff erklĂ€ren möchten, fĂŒr den wir das Wort nicht kennen.)
Dasselbe Prinzip gilt auch fĂŒr die Fachsprache, wenn die Dinge etwas komplizierter sind.
Was ist nun aber eine Bezeichnung?
Die DIN-Norm (DIN 2342:2011-08) sagt hierzu Folgendes:
âReprĂ€sentation eines Begriffs mit sprachlichen oder anderen Mitteln.â
Aha! Eine Bezeichnung ist also das, womit ein Begriff (eine
Denkeinheit) reprÀsentiert, also zum Zweck der Kommunikation mit anderen wiedergegeben
wird.
Eine ReprĂ€sentation mit nur sprachlichen Mitteln nennen wir âBenennungâ. Eine
Benennung kann aus einem einzelnen Wort oder mehreren Wörtern bestehen. In
unserem Fall ist die sprachliche ReprĂ€sentation (also die Benennung) das Wort âTischâ.
Weiterhin könnten wir den Begriff âTischâ aber auch mit anderen
Mitteln wiedergeben. Beispielsweise mit einem Symbol oder einer Artikelnummer.
Wo zutreffend, gehören auch Formeln zu den Bezeichnungen.
Klassischerweise wird diese Beziehung zwischen âGegenstandâ, âBegriffâ und
âBezeichnungâ anhand des sogenannten semiotischen Dreiecks nach Ogden und
Richards dargestellt, das ich auch hier nicht vorenthalten möchte:
Nun, da wir die Fragen nach dem âBegriffâ und der âBezeichnungâ geklĂ€rt haben, kehren wir zu unserer Ausgangsfrage zurĂŒck: Was ist eigentlich Terminologie?
Unter âTerminologieâ verstehen wir also alle fĂŒr einen Fachbereich relevanten Begriffe (Denkeinheiten) und deren Bezeichnungen, seien es nun Benennungen (fĂŒr Texte), Symbole (beispielsweise fĂŒr Aufbauanleitungen), Artikelnummern oder Formeln.
Wir sprechen also nicht von einer Liste von Wörtern. Eine Wortliste
wÀre nur eine Sammlung von sprachlichen Bezeichnungen (Benennungen), bei der
die Begriffe, fĂŒr die diese Benennungen stehen, nicht berĂŒcksichtigt werden.
Wir können anhand einer Wortliste gar nicht oder im gĂŒnstigsten Fall nicht
eindeutig erkennen, welche Begriffe sich hinter den Benennungen verbergen.
Bei einer âTerminologieâ werden allerdings die Begriffe gesammelt,
sprich, alle Denkeinheiten, die in einem Fachgebiet relevant sind. Da es sich
beim âFindenâ des Begriffs oft um einen komplexen und ggf. auch zeitaufwĂ€ndigen
Vorgang handelt, wird der einmal âgefundeneâ Begriff mithilfe einer Definition
bestimmt und dokumentiert. So kann jeder Benutzer der Terminologie stets
nachlesen, worum es sich beim jeweiligen Begriff handelt.
Den Begriffen werden dann alle relevanten Bezeichnungen zugeordnet, die sie
reprĂ€sentieren können. Diese Bezeichnungen werden schlieĂlich noch eingeteilt â
beispielsweise in âerlaubtâ und ânicht erlaubtâ.
Die Herangehensweise der Terminologie-Arbeit ist also inhaltlich motiviert und
soll Vorgaben machen, welche Bezeichnungen bei Redaktion und Ăbersetzung
verwendet werden dĂŒrfen und welche nicht. Wir sprechen dann von
âbegriffsorientierterâ und âprĂ€skriptiverâ Terminologie-Arbeit.
Warum die begriffsorientierte und prĂ€skriptive Terminologie-Arbeit das geeignete Mittel fĂŒr Redaktion und Ăbersetzung ist und wie sich Wortlisten von Terminologie-Datenbanken genau unterscheiden, schauen wir uns in den nĂ€chsten BlogbeitrĂ€gen an.
DemnÀchst zum Thema Terminologie:
- Was unterscheidet eine Wortliste von einer Terminologie-Datenbank
- Warum ist die prĂ€skriptive und begriffsorientierte Terminologie-Arbeit fĂŒr Redaktion und Ăbersetzung das Mittel der Wahl?
- Theorie und Praxis: Herausforderungen bei der Terminologie-Arbeit unter realen Bedingungen