Was soll Post-Editing kosten?

Michael Schneider · 14. November 2016

Seit einiger Zeit befasse ich mich mit der eigentlich furchtbar langweiligen Frage, was Post-Editing kostet – genauer: wie die Dienstleistung „Post-Editing‟ zu bezahlen ist. Das ist, betrachtet man’s genauer, eine zweiteilige Frage, denn es geht sowohl um den Preis fĂŒr die Leistung als auch um die Abrechnungseinheit, also ob man fĂŒr eine Zahl x Wörter, Zeilen, Stunden oder was auch immer bezahlt. Und „langweilig‟, weil das auf den ersten Blick wie ein rein kaufmĂ€nnisches Kalkulationsproblem aussieht: Das muss man halt mal durchrechnen.

Dazu kam, dass ich vor ein paar Monaten gefragt wurde, ob ich zu diesem Thema nicht einen Abschnitt im neuen Leitfaden des BDÜ-Fachverlags „Best Practices – Übersetzen und Dolmetschen‟ beitragen wolle, der demnĂ€chst erscheinen wird. Da muss man mich nicht zweimal fragen, mein ausgeprĂ€gter Narzissmus braucht schließlich immer Nahrung. Auch fĂŒr einen Fachvortrag fĂŒr die tekom-Jahrestagung 2016 ist noch so einiges Material zusammen gekommen, so dass das Thema eigentlich fĂŒr die nĂ€chsten Wochen beiseite gelegt werden könnte.

Einen Aspekt konnte ich aber weder im Leitfaden noch in dem Vortrag ausreichend unterbringen – nicht weil die „Auftraggeber‟ (BDÜ und beo) da gebremst hĂ€tten, sondern weil ich es nicht passend ausformuliert bekomme. Es geht mir um die doch eigentlich selbstverstĂ€ndliche Forderung, dass Menschen, die Post-Editing als Dienstleistung anbieten – im weiteren „Post-Editoren‟ genannt – von ihrer Arbeit auch auskömmlich leben können sollten. Oder besser noch gut leben 


Und hier beginnen die Schwierigkeiten. Die Kombination aus maschineller Übersetzung (MT) und Post-Editing ist ja fĂŒr uns LSPs vor allem wegen des Versprechens der signifikanten Kostenersparnis interessant. Das funktioniert natĂŒrlich nur, wenn der effektive Wortpreis fĂŒr Post-Editing so niedrig ist, daß die Kombination aus MT, Post-Editing (und meistens auch TM) mit all den Fix- und Technikkosten niedriger ist als beim ausschließlichen Einsatz von TM-Systemen. Besser wĂ€re noch ein deutlich niedriger Preis. Damit fĂŒr die Post-Editoren hier am Ende ein ausreichender Stundensatz zusammenkommt – davon leben diese Menschen am Ende – muss der Durchsatz in Wörtern pro Stunde möglichst hoch sein. Und dazu sollte der MT-Output gut genug sein, damit der Post-Editor sich nicht lange mit Korrekturen aufhalten muss.

Das alles ist durchaus vergleichbar mit der Frage, was die Bearbeitung eines Fuzzy-Matches beim Einsatz traditioneller TM-Systeme kosten soll. HierfĂŒr hat es sich ganz gut bewĂ€hrt, einen festen Prozentsatz des vereinbarten Wortpreises fĂŒr NeuĂŒbersetzungen anzusetzen, gelegentlich auch mehrere Prozentstufen, je nach Match-QualitĂ€t. Zumindest wurde unsere westliche Welt in den Jahren, seit TM-Systeme Verwendung finden, nicht von verarmten Übersetzern ĂŒberschwemmt, und die Abnehmer von Übersetzungen sind auch ganz zufrieden mit diesen Preissystemen.

Einen vergleichbaren Ansatz auch fĂŒr Post-Editing zu nehmen setzt aber voraus, daß PE eine dem Bearbeiten von Fuzzy-Matches vergleichbare TĂ€tigkeit ist, was den Aufwand angeht. Davon gehen wir heute aus – aber ernsthaft untersucht wurde dies meines Wissens noch nicht. Erfahrungswerte werden auch erst gesammelt und sind auf keinen Fall schon belastbar.

Lange Rede — kurzer Vorstoß:
Am liebsten wĂŒrde ich in die Branche rufen: „Leute, passt auf eure Post-Editoren auf!‟

O.k., das ist wohl etwas zu melodramatisch. Ich formuliere es daher anders: Wir (die gesamte Übersetzungsbranche) mĂŒssen hier mehr zusammenarbeiten, um wirtschaftlich sinnvolle, fĂŒr Kunden und Dienstleister verlĂ€ssliche und fĂŒr Post-Editoren auskömmliche Preisschemata zu erarbeiten.

Und bitte schön bald, wenn es sich einrichten lĂ€sst …

Michael Schneider

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