Auch Posteditoren wachsen nicht auf Bäumen

Ilona Wallberg · 17. März 2021

Ein Interview mit Gerhard Preißler über unsere Fortbildungsseminare für Posteditoren.

Herr Preißler, im September und November 2020 hat beo unter der Federführung der Internationalen Hochschule SDI München für 45 Mitarbeiter*innen des Bundessprachenamtes eine dreieinhalb-tägige Intensivschulung zum Thema „Postediting maschineller Übersetzungen“ durchgeführt.

Warum wurde diese Fortbildung notwendig?

2018 hat das Bundessprachenamt entschieden, MÜ-Komponenten in den Übersetzungsprozess einzubauen und die entsprechende Software zu beschaffen. Damit wurde eine Schulung aller Mitarbeiter*innen notwendig, die in dem Arbeitsprozess beteiligt werden sollten, also Überprüfer (Revisoren), Sprachtechnologen und Terminologen.

beo hat in dem Seminar im theoretischen Teil die Aspekte Geschichte und unterschiedliche Techniken der Maschinellen Übersetzung und im praktischen Teil typische Fehler, Einflussmöglichkeiten und Prozessgestaltung beleuchtet. Die Teilnehmer*innen konnten sich an Beispielen üben.

Welche Teile waren für die Teilnehmer*innen am wertvollsten?

Für das erforderliche Postediting durch unsere Mitarbeiter*innen war der Abschnitt mit typischen Fehlern, die ein MÜ-System macht, das Wertvollste, weil sie das in ihrer zukünftigen Arbeit am meisten beschäftigen wird.

Die Module zu den Einflussmöglichkeiten und zur Prozessgestaltung war eher für die Mitarbeiter*innen aus der Sprachtechnologie und unsere Terminolog*innen interessant.

Die Historie und die Arbeitsweisen der unterschiedlichen maschinellen Übersetzungssysteme war für alle Teilnehmer*innen eine sinnvolle Hinführung zum Thema.

Und insgesamt hat das Paket gepasst.

Das SDI hat in theoretischen und praktischen Einheiten die Wichtigkeit und eigenen Einflussmöglichkeiten beim Ausgangstext und harmonisierter Terminologie herausgearbeitet. Einige Teilnehmer*innen hatten aha-Erlebnisse auch für ihre Arbeit ohne maschinell erzeugter Übersetzungssegmente.

Konnten die Teilnehmer*innen diese Lernerlebnisse in der Praxis gut umsetzen?

Eine konkrete Rückmeldung auf diese Schulungsinhalte gab es bislang nicht.

Bei der derzeit noch laufenden internen Evaluierung des MÜ-Systems und der ersten Trainingsergebnisse waren einige Teilnehmer:innen eingebunden: Sie konnten die Effekte des Preediting ausprobieren und bei Projekten, die sie längere Zeit bearbeitet haben, sehen wie sich ein bewussterer Rückgriff auf die Terminologie-Datenbank auswirkt.

Zum Abschluss der Seminarreihe im vergangenen Jahr stand der Arbeitsprozess „Maschinelles Übersetzung und Postediting beim Bundessprachenamt“ noch nicht fest, denn ein Ziel war es ja, die Teilnehmer*innen zu befähigen, den Prozess sachkundig mitzugestalten.

Wurde mittlerweile ein erstes Konzept erstellt und getestet?

Nein, wir sind noch bei der Evaluation des Systems und der ersten Ergebnisse, untersuchen verschiedene Arten der Engines bei unterschiedlichen Texten. Loctimize und docConsult beraten uns zu den Einflussmöglichkeiten auf die Software bei SDL. Derzeit erforschen wir noch auf System-Ebene, welche technologische Lösungen es gibt, die notwendigen eigenen Prozesse im Vordergrund zu realisieren.

Einige Teilnehmer*innen sind in einzelne Phasen der Evaluation eingebunden. Wir haben gezielt die bei der Schulung aktiven Teilnehmer*innen mit Aufgaben betraut.

Sehr erfahrene Übersetz*innen und Revisor*innen davon zu überzeugen, dass die Bearbeitung von MÜ-Segmenten eine sehr sinnvolle und auch befriedigende Arbeit ist, war ein hartes Stück Arbeit. Die Begeisterung hielt sich auch am vierten Seminartag noch in Grenzen.

Ist das Eis mittlerweile durch die Teilintegration in den Arbeitsprozess gebrochen?

Das ist schwierig zu beantworten, weil wir ja noch nicht in der Umsetzung sind.

Aus einigen Referaten gab es Anfragen, ob bestimmte Aufträge per Maschineller Übersetzung bearbeitet werden könnten, bei denen Zweck und Zielgruppe eine MÜ zulassen. Diese Einschätzungen wurde durch die Referate selbst getroffen.

Einige dieser Texte wurden tatsächlich in die Engine gegeben. Die Ergebnisse waren unterschiedlich brauchbar: Während ein Auftrag ganz ok war, gab es andere, bei denen ein großer terminologischer Aufwand vonnöten gewesen wäre, sodass die Kolleg*innen den Text dann schließlich doch human übersetzt haben.

Aber „das Eis ist angetaut“.

Pandemie-bedingt mussten die Seminare alle per Webkonferenz durchgeführt werden. Das war sicherlich für alle Beteiligten anstrengender als Präsenz-Unterricht in Hürth.

Was waren die größten Probleme?

Es gab ein paar wenige individuelle, kleinere technische Probleme.

Wir alle haben in der Pandemie gelernt, die Möglichkeiten neu – und positiver – einzuschätzen. Und die Konferenzsysteme entwickeln sich ja auch ständig weiter. Erinnern Sie sich: Manchmal haben wir morgens den Button gesucht, den wir am Vortag links unten hatten, und der sich jetzt, neben neuen Buttons, rechts oben versteckte.

Insgesamt hatten wir nur sehr positives Feedback

Für viele unserer Teilnehmer*innen war die Erfahrung einer so umfangreichen Schulung neu – sie waren eher angenehm überrascht und haben sich schnell in das Medium eingefunden, das ja mittlerweile in vielerlei Hinsicht zum Alltag gehört.

Das SDI und beo wollen diese Art der Schulung zum Thema Postediting auch für andere Organisationen und ggf. freiberuflich arbeitende Übersetz*innen anbieten.

Können Sie uns als „Auftraggeber“ und Teilnehmer an allen drei Durchgängen Hinweise oder Verbesserungsvorschläge geben?

Nichts Grundsätzliches. Es ist für mich auch schwierig zu beurteilen, ob sich diese, speziell auf uns zugeschnittenen Arbeitseinheiten auf andere Gruppen übertragen lassen. Die Besonderheiten des Bundessprachenamtes sind schon sehr einmalig.

Waren Sie insgesamt zufrieden und können Sie unsere Arbeit weiterempfehlen?

Ja!

Vielen Dank! Wir freuen uns schon auf die vierte Runde in der zweiten Jahreshälfte.

Ilona Wallberg

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